Das Leben und Werk von Joseph Beuys (1921-1986) sind stark von seinem persönlichen Erlebnis des Zweiten Weltkrieges geprägt. In der Rolle des Künstler-Schamanen hat der Künstler in der Nachkriegszeit den Kunstbegriff nicht nur radikal hin zu einem gesellschaftstheoretischen Konzept erweitert. Einem Therapeuten gleich versuchte er auch mit seinen Arbeiten und Aktionen, vergessenen Wahrnehmungs- und Empfindungsweisen zu provozieren und ein Bewusstsein für eine kosmische Verbundenheit zu schaffen.
So forderte Beuys bereits in den 1960er Jahren in seinem Energieplan
eine neue Einfühlung in die Tier- und Pflanzenwelt. In Zeichnungen,
Skulpturen, Multiples und Aktionen machte er auf die entzauberten
Beziehungen zu den Energien der Erde, zu den Tieren und nicht zuletzt
auch zu den seelischen Kräften aufmerksam. Sein umfangreiches Œuvre ist
neben christlichen, schamanistischen und alchemistischen Traditionen
auch von mythologischen Traditionen und vom heimischen Brauchtum
mitgeprägt. Die Ausstellung Bewohnte Mythen zeigt erstmals, mit Fokus
auf sein umfangreiches zeichnerisches Werk, wie Beuys vorchristliche
Traditionen, Volksmagie und -Heilkunde im Rahmen seiner individuellen
Mythologie für die Gegenwart produktiv gemacht hat.